
Wir besuchen das Technikmuseum Sinsheim, nachdem wir gestern den Bus noch hierher umgesetzt haben.

Kerstin braucht nach dem Frühstück noch etwas länger im Bus. Ich starte also schon mal mit dem Roller durch. Wir treffen uns dann später im Museum.
Auf dem Parkplatz sticht mir natürlich sofort das legendäre U-17 ins Auge, das ab 2025 neben der Concorde und der Tupolev wohl das größte Einzelexponat sein wird.

Es gibt im Netz auch spannende Videos über den Transport des U17 nach Sinsheim.



Im ganzen Museum finden sich Themenbereiche in denen die Ausstellungsstücke weitestgehend zusammen stehen. Es finden sich aber auch immer wieder Exponate, die thematisch ganz wo anders hingehören würden. Aber das stört nicht weiter…

In Halle 1 gibt es einige klassische Oldtimer, ein paar Rennwagen und wunderschöne American Dream Cars zu sehen, passend mit Dingen aus der Zeit dekoriert um ein echtes „American Way of Life-Gefühl“ zu erwecken.

Nicht nur die beliebten Straßenkreuzer der 1950er und 1960er Jahre kann ich in dieser Ausstellung bewundern, sondern auch Custom-Cars und Rat-Cars. Manche Autos stehen auf Rampen oder übereinander im Regal, damit sie so bestmöglich in Szene gesetzt werden. Hier kann ich auf 1500 m² die letzten 100 Jahre amerikanischer Automobilgeschichte bewundern, vom ländlichen Dirt Track Race bis zum Glamour der 50er Jahre. Auch eine kunstvolle Metallarbeit, ein lebensgroßer Easy Rider, ist zu bewundern.



Im zweiten Hallenteil ist eine Militärausstellung mit ganz besonderen Stücken zu sehen. Gerade im Hinblick auf die derzeitigen Kriegswirren in der Ukraine und vor allem in Nahost kann ich diese Ausstellung nicht so richtig geniessen, auch wenn ganz besondere Ausstellungsstücke wie der VW Schwimmwagen etc. zu sehen sind.

Vorbei an einem militärischen Abschnitt komme ich am Ende der Halle zu einer Ausstellung historischer Traktoren und Zugmaschinen. Die Sammlung zahlreicher Lanz-Traktoren sucht wohl ihresgleichen. Es gibt hier aber auch amerikanische Traktoren u.a. von Fordson, John Deere und McCormick. Weitere Highlights sind die mit Dampf betriebenen Motorpflüge, Lokomobile, Straßenwalzen und Zugmaschinen, die ich in dieser Vielfalt noch in keinem anderen Museum zu sehen bekommen habe. Dieser Teil der ländlichen Technikgeschichte bis an die vorletzte Jahrhundertwende geht mit der Erfindung des Automobils und des Motorflugs oft unter. Traktoren sieht man auch auf entsprechenden Treffen meist erst als Nachkriegsfahrzeuge der 2. Weltkriegs.
Die gelbe eindrucksvolle Planierraupe Cat D9 von Caterpillar war bei ihrer Vorstellung im Jahr 1954 die bis dahin weltgrößte Planierraupe und weltweit auf Großbaustellen im Einsatz. Das gigantische Fahrzeug wiegt 25 Tonnen, das Teil hier im Museum ist noch voll einsatzfähig.

Auch einen Volvo Sugga gibt es hier, genauso wie einen Opel Blitz mit Holzvergaser und zwei Hanomag Traktoren aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Einer wurde 1931 erbaut und schleppte Flugzeuge der Luftwaffe auf Feldflugplätzen, dann diente er bis 1993 als Zugmaschine beim Zirkus Sarrasani. Der zweite stammt von 1927 und hat einen Mehrstoff-Motor mit 28 PS, der mit Benzin angelassen und dann entweder mit Benzin oder mit Petroleum betrieben wurde.

Auch ist hier noch das „Rennrad-Museum“ untergebracht, das mich aber eher weniger in seinen Bann zieht.

Einmal quer über den Hof geht es nun in Halle 2.
Hier gibt es auch eine ganze Menge zu sehen, nur etwas übersichtlicher als in Halle 1. Hier werden mehr als 300 Oldtimer aller Epochen gezeigt. Die Anfänge des Automobilbaus mit einem Mors Kettenwagen über den erstmals am Fließband produzierten Ford Modell T bis hin in die Neuzeit ist im Museum alles vertreten was in der Automobilbranche Rang und Namen hat. Auch legendäre Klassiker wie der Opel Super 6 und einige Bugattis sind zu sehen.


Kerstin ist mittlerweile auch eingetroffen. Also geht es zu zweit weiter. Ist eh viel schöner …
Ich bekomme bald mein Mittagshüngerchen. Wir lassen uns gemütlich auf zwei Flugzeugsitzen nieder, die vor einer riesengroßen Tanzorgel stehen. Diese wird erklärt und aus dem sichtbaren Saxophon und den zwei Ziehharmonikas kommen tatsächlich Töne raus. Man muss 2 € in einen Automaten stecken und die Musik geht los. Wir bedanken uns herzlich bei einem Jungen, der von seiner Oma genug Nachschub bekommt. Wir sitzen hier recht lange und lassen uns den Proviant schmecken. Dabei bekomme ich einen heftigen Lachanfall, als ich Christian erzähle, wie ein selbst genähter Pullover für ihn konzipiert sein sollte. Ich kriege mich nicht mehr ein, er findets semilustig.
Einer der Höhepunkte ist ohne Zweifel die Sammlung historischer Mercedes-Automobile. Alleine 16 der legendären Mercedes-Kompressor-Fahrzeuge der Baureihen S, SS und SSK aus den 1920er und 1930er Jahren kann man hier bewundern. Ebenfalls ist hier in der Halle eine der größten Maybach-Sammlungen zu sehen. Toll.


Eine der größten Sensationen im Technik Museum Sinsheim ist das Rekordfahrzeug „The Blue Flame“, das mit ca. 58 000 PS Leistung schnellste raketengetriebene Landfahrzeug aller Zeiten. Am 23. Oktober 1970 stellte der Amerikaner Gary Gabelich mit dieser Kreuzung aus Auto und Rakete auf dem Bonneville-Salzsee mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1.014,656 km/h einen phantastischen neuen Weltrekord auf.

Auf der Galerie ist weiterhin noch eine Moped und „Butter und Brot“ Fahrzeugausstellung. Schöne Fahrzeuge dabei von Goggomobilen über die kleinen Fiat 500 bis 600 Baureihen aber auch seltenere Stücke wie Messerschmitt Kabinenroller. Komplettiert wird das Ganze durch Roller und Mopeds der 50er und 60er Jahre.





Überall in den Hallen kann man Flugzeuge und Helikopter bewundern, die dort an der Decke hängen. So kann man hier legendäre Passagiermaschinen wie die Junkers Ju 52/3m bewundern, militärisch genutzte Flugzeuge wie die Messerschmidt ME-109 oder eine De Havilland Venom „Jet Pilot“.


Über 60 Flugzeuge und Hubschrauber aller Epochen warten im Freigelände und in den Museumshallen auf die interessierten Besucher. Die Publikumsmagnete stehen auf dem Dach von Halle 2, die französische Concorde sowie die russische Tupolev Tu-144.

In den 1960er Jahren wetteiferten die britisch/französischen Konstrukteure der Concorde mit der russischen Tupolev Tu-144 darum, wer als erster ein Überschall-Verkehrsflugzeug in die Luft bringen würde. Am 31. Dezember 1968 erhob sich der erste Prototyp der Tupolev Tu-144 in den Himmel und die Concorde folgte erst am 2. März 1969. Die große Ähnlichkeit zwischen der Tu-144 und der Concorde ließ naturgemäß den Verdacht der Industriespionage aufkommen, letztlich konnte diese Vermutung aber nie bewiesen werden. 1970 erreichte die Tupulev mit 2.150 km/h als erstes Verkehrsflugzeug der Welt Mach 2. 1973 stürzte eine Tu-144 bei der Pariser Luftfahrtausstellung vor laufenden Kameras ab, es folgte ein weiterer Absturz ein paar Jahre später. Der letzte reguläre Flug einer Tu-144 erfolgte am 1. Juni 1978.

Wir haben uns zuerst die Tu-144 angesehen, deren Eingang weitere 30 m über dem Hallendach ist. Beeindruckend, so ein geschichtsträchtiges Flugzeug besichtigen zu können. Aber für so einen Luxusjet ist es im Inneren sehr eng. Da war die Boing 747-200 in Speyer deutlich geräumiger. Aber auch langsamer.
Die original Concorde F-BVFB der Air France ist das Aushängeschild des Museums. Diese bis zum Cockpit zu begehen, geben wir nach kurzer Zeit auf. Es wälzen sich zu viele Besucher durch. Das geht zu langsam.
Beim Rausgehen begegnet mir ein Mann mit einem kleinen Kind, der ebenfalls vor dem Besucherandrang in der Concorde kapituliert hat und dies nun versucht, seinem protestierenden Kind klarzumachen. Ich kann mich nicht zurückhalten und gebe dem Vater den Tipp, dass in der Tupolev nicht so ein Andrang ist und dass Kinder da was sehen können. Er guckt mich dankbar an und ich erkläre dem Kind noch, dass ich gerade in dem anderen Flugzeug war und das sei viel toller. Es glaubt mir offenbar und zufrieden ziehen die beiden ab. So einfach gehts manchmal.
Haben wir doch gleich noch einen Termin im 3D-Kino.

Wild America. Ein toller 3D-Film über amerikanische Nationalparks beschert uns nochmal eine kurzweilige knappe Stunde. Der amerikanische Sprecher gibt damit an, dass die Summe der Fläche amerikanischer Nationalparks die Fläche Englands ausmacht. Das hört sich erstmal beeindruckend an. Aber Christian gibt später zu bedenken, dass dies nicht besonders viel ist. In Wirklichkeit sind das nur 1,32 %. In Deutschland und Europa liegt die Fläche der Nationalparks ab 2030 bei 30%.
Heute ist Kindertag im Museum und draußen gibt es einen Spielplatz mit tollen Attraktionen, die man auch besuchen kann, ohne ins Museum zu gehen. Die Kinder können baggern, Gondel fahren, Mini-Formel 1, alles was das Herz begehrt. Ich beschließe, mit Christian in ein paar Jahren nochmal mit dem Enkelkind hierher zu fahren. Er kann dann in Ruhe ins Museum und ich stecke Unmengen Kleingeld ein für die Kinder Attraktionen.
Auf dem Heimweg entdecken wir vor einen Nachbarmuseum doch tatsächlich eine Wuppertaler Schwebebahn. Wieso gibt’s die eigentlich nicht im Technik Museum? Leider fehlen mir auch historische Busse. Außerdem könnten ein paar kritische Bemerkungen zu den militärischen Exponaten auch bei noch so großer Technikbegeisterung nicht schaden. Ein Panzer, der beim Geldeinwurf Schießgeräusche von sich gibt und im Hintergrund Maschinengewehrsalven zu hören sind, finde ich, besonders in der aktuellen Zeit, geschmacklos.
Jetzt rollern wir aber erstmal Richtung Bus, als Kerstin abrupt an einem Steakhouse stoppt. Ich bin spontan zum Essen eingeladen. Wow. Vielen Dank.
Der Laden hat noch nicht mal einen fertigen Fußboden, überall Zementflecken, und ist auch sonst räumlich nicht sehr ansprechend. Aber die nette Möblierung, der tolle Service und das hochwertige Essen sorgt dafür, dass er brummt. Wir vertreiben uns die Wartezeit mit Spekulationen über unsere Mitgäste. Die Herren am Nachbartisch sind Türsteher einer Disco und müssen gleich los zur Arbeit. Die bunte Mischung am anderen Ende des Raumes ist eine Patchworkfamilie mit erwachsenen Kindern, wobei sich der Vater weit weg setzt von der Ex-Frau. Das unglückliche Pärchen am Fenster diskutiert über Kinderwunsch und er schlägt am Ende vor, stattdessen einen Hund anzuschaffen. Alles erfunden. Bald werde ich allerdings extrem abgelenkt von einer jungen Frau in einer Frauengruppe, die ein ganz kleines Baby dabei hat. Ein Raunen geht durch die Damenwelt als sie es aus dem Kinderwagen hebt. Da ist es um mich geschehen und ich kann die Augen nicht mehr loseisen. Ich freue mich auf mein Enkelkind und genieße schonmal.
Satt und zufrieden rollern wir die letzten paar Hundert Meter bis zum Bus.

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